Kreis-Haushalt 2022

Kreistagssitzungen fanden nicht statt, Endscheidungen wurden in den Kreisausschuss verwiesen. Dort sind Einzelmandatstäger:innen nicht vertreten. Andere Möglichkeiten wären denkbar gewesen.

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Schulze Pellengahr,

sehr geehrter Herr Kreisdirektor Dr. Tepe,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

liebe Gäste.

 

Wir befinden uns – bedingt durch die Corona-Pandemie – in einer Notlage globalen Ausmaßes. Deshalb möchte ich an dieser Stelle meinen tief empfunden Dank an die Mitarbeiter:innen – im Gesundheitsamt – in den Pflegeberufen und Medizin Berufen – dem DRK – den Betreuer:innen der Kinder und Jugendlichen – der alten Menschen und der Menschen mit Behinderung und den vielen anderen, aussprechen. Sie alle leisten körperliche und seelische Hochleistung.

Wir stehen mit den Inzidenzwerten im Kreis Coesfeld noch relativ gut da, gemessen an anderen Kommunen. Natürlich nur relativ, weil jeder verstorbene oder erkrankte Mensch genau einer zu viel ist und die Zahlen auch bei uns in die Höhe schießen. Das kann uns alle nicht überraschen. So warnten bereits im Sommer das RKI, Professor Drosten und andere Fachleute eindringlich vor dem kommenden Herbst und Winter. Vor der vierten Welle, in der wir nun stecken. Der Präsident des RKI Lothar Weiler warnt:“ Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, haben wir ein furchtbares Weihnachten.“ Er sieht eine fünfte Welle auf uns zukommen. Einige Wissenschaftler raten jetzt zu einem erneutem „Lockdown“, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Der Kreis Coesfeld hat große Verantwortung, denn die „große“ Politik wird hier umgesetzt und hier gelebt.

Wir wissen das die jetzige Delta-Variante hoch ansteckend ist. Gleichzeitig ist die die Omikron Mutante bereits im Kreis angekommen. Es gibt Impfdurchbrüche bei doppelt Geimpften, zum Glück sind sie selten Hospitalpflichtig. Also ist höchste Sicherheit angezeigt. Ich bin sehr dafür das wir uns alle impfen und boosten lassen. Nur damit können wir letztendlich die Pandemie eindämmen und uns alle schützen. Das ist ein solidarischer Akt und dient dem Gemeinwohl. Leider kennen wir noch kein Medikament für die Erkrankten. Deshalb stehen wir jetzt vor der Ultima Ratio, uns bleibt nichts anderes als die Impfpflicht. Jetzt heißt es Impfen und Testen was das Zeug hält. Der Kreis Coesfeld hat sich bereits fleißig auf den Weg gemacht, auch dafür meinen Dank. Zur Wahrheit gehört auch, dass die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen am Limit arbeiten und freie Impftermine in den Kreiszentren nur schwer zu bekommen sind. Dankenswerterweise sind hier Initiativen von Ärztinnen und Ärzten, sowie den Kommunen und der Hilfsorganisationen eingesprungen. Die Frage sei erlaubt, warum es keine aufsuchenden Impfangebote in dieser vierten Welle gibt oder gab. Ein Popup-Angebot z.B. in einem Zelt wäre denkbar gewesen. So hätte man beispielsweise vor Supermärkten, Schule, vorm Kreishaus und Betrieben prima Impfangebote ohne Termin schaffen können. Die Kommunen und Gewerbetreibenden hätten bestimmt gerne kooperiert.

Besonders belastet waren die Kinder und Jugendlichen durch die Corona Krise. Sie mussten auf ein Leben verzichten, das sie eigentlich hätten haben sollen. Stattdessen saßen sie zu Hause fest und sie hatten Schule per Videochat. Die Schüler:innen erlebten Isolation. Es ist uns allen wohl ein Anliegen, dass die Schulen, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, geöffnet bleiben. Denn die jungen Menschen haben nicht nur inhaltlich im Lernstoff, sondern im Besonderen im sozialen Zwischenmenschlichem Nachholbedarf. Neuste Statistiken belegen das die Pandemie viele Kinder und Jugendliche psychisch angeschlagen oder sogar krank gemacht hat, auch die Versuche von Suiziden sind gestiegen. Was sie jetzt brauchen ist freier Raum und psychosoziale Projekte sowie dringend Beziehungen, in denen sie sich begegnen und ausprobieren können. Das benötigt natürlich Unterstützung und ein Mehr an gut ausgebildete Fachleute. Die Kosten dafür müssen in den Stellen- und Haushaltsplan eingepflegt werden. Die Warnung, dass eine „verlorene Generation“ heranwächst, ist nicht zu unterschätzen, sondern zu beachten. Es gilt alles zu tun, dass alle Schüler:innen, insbesondere die aus sozioökonomisch stark benachteiligten Elternhäusern und die mit Beeinträchtigungen und Behinderungen, nicht später als die Bildungsverlierer:innen der Pandemie identifiziert werden.

Eines hat die Pandemie uns aber auch gebracht – wir sind digitaler geworden. Das gilt im Besonderen für die Schüler:innen und die Schulen wie dem Lehrpersonal. Digitalisierung beschränkt sich nicht allein auf Bereitstellung von Endgeräten und Infrastruktur, sondern benötigt sehr viel Arbeit z. B: Updates, etc. Diese zusätzliche Arbeit bleibt oft bei den Lehrer:innen hängen. Es benötigt viel Zeit, die den Schüler:innen nicht zugutekommt und viel Nerven kostet. Um Lehrpersonal nicht zusätzlich zu belasten und eine sichere digitale Infrastruktur zu gewährleisten, braucht es einen „lösungsorientierte Basis Beratung und Betreuung “ für die acht Schulen in Kreisverantwortung. Das bedeutet eine erste Anlaufstelle für große und kleine digitale Probleme jeglicher Art für Schüler:innen und Lehrpersonen und das sehr niederschwellig. Diese Fachstellen müssten der IT-Abteilung der Kreisverwaltung zugeordnet werden und regelmäßig, mindestens einmal pro Woche vor Ort an den Schulen tätig sein. Die zusätzlichen Stellen sollten im Stellenplan und im Haushalt berücksichtigt werden.

Zum Haushaltsentwurf 2022 gehört die Landschaftsumlage an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Diese steigt vermutlich dieses Jahr um 0,15 % auf dann 15,55 %. In seiner Rede zur Haushaltsentwurf 2022 wies Dr. Tepe drauf hin, dass der Kreis Coesfeld, so wie viele andere Mitgliedskommunen, nachdrücklich einen tieferen Griff des LWL in die Ausgleichsrücklage befürworten. Der LWL hat als Umlagen-Verband nur die Möglichkeit, über die Landschaftsumlage Einfluss auf seine Einnahmen zu nehmen. Mit der geplanten Unterfinanzierung des LWL Haushalts 2022 wird nur die Unterfinanzierung der Kreise und Kommunen geschönt – eine notwendige Lösung weiter herausgeschoben. Während die Kreise und Kommunen einige Möglichkeiten der Einnahmen, z. B. über die Steuern haben, verfügt der LWL über keine eigenen Steuereinnahmen. Er ist verpflichtet, seine Kosten über die Umlage zu decken. Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung der Umlage ist, dass es im Einzugsgebiet des LWL`s nur Nehmer-Kommunen gibt. Bedeutet, wir bekommen mehr „raus als wir reinpacken“. Was das für die Kasse des LWL`s bedeutet, ist nicht schwer zu erahnen. Wir alle profitieren von den Geldern und der Arbeit des LWL`s im sozialen wie auch im kulturellen Rahmen. Insofern kann ich Ihre Beurteilung, sehr geehrter Herr Dr. Tepe, nicht teilen.

Seebrücke – hier würde ich jetzt gerne weit ausholen, aber die Argumente sind hin und her geflogen – es wurde alles gesagt – und die wichtigen Ziele der Organisation Seebrücke blieb auf der Strecke. Aktuell wäre es möglich und sinnvoll weitere Flüchtlinge aufzunehmen und eine Inklusion hier zu ermöglichen, bis sie wieder zurück in ihre Heimat können, wenn sie mögen. Der Kreis als Mitglied der „Mayors of Peace“ muss von der Bundesregierung fordern, dass sie den Atomwaffen-Verbotsvertrag unterschreibt und umsetzt. Mal sehen wie sich die neue Ampel-Koalition dazu verhält. Ferner muss der Kreis all seine Mittel nutzen, die Tower-Baracks in Dülmen einer zivilen Nutzung, wie ursprünglich geplant, zu zuführen. Von dort können innerhalb von 96 Stunden eine US-Brigade mit 40.000 Soldat:innen und ihr Material in Marsch gesetzt werden.

Inklusion – hier geht der Kreis Coesfeld erfreulicherweise erste Schritte zu einem Inklusionsbeirat und hoffentlich bald zu einem Jugendbeirat. Was fehlt wäre das Erstellen von Leitlinien für eine barrierefreier Verwaltung, z. B. nach dem Vorbild der Stadt Wiesbaden. Auch die HP des Kreises ist leider nicht inklusiv. Außer Broschüren – Formulare – Sitzungsvorlagen – etc. in leichter oder einfacher Sprache die Sie vergebens suchen, fehlt hier noch so einiges um inklusiv zu sein. Die konsequente Bevorzugung von Inklusiv-Betrieben bei „Outhouse-Vergaben“ durch die Kreisverwaltung wäre wünschenswert. Wobei Outhouse Vergaben grundsätzlich kritisch zu bewerten sind. Die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs ist vor allem für Menschen mit Behinderung unerlässlich und erleichtert allen anderen ebenfalls die Nutzung. Das Personenbeförderungsgesetz (PbefG) sieht die vollständige Barrierefreiheit des ÖPNV ab dem 1.1.2022 vor – das ist schon bald. Leider liegt in unserem Kreis hier noch so einiges im Argen und es bleibt noch sehr vieles zu tun.

Das führt mich direkt zum Bus-Verkehr im Kreis Coesfeld – sehr zu begrüßen ist der Versuch in Senden rund um den X 90 und der Mobilstation. Leider ändert das noch nicht die Gesamtsituation im Kreis. In den Abendstunden und am Wochenende z.B. sitzen Sie in Ihren kleinen Kommunen und Bauernschaften fest, wenn Sie nicht individuell am Verkehr teilnehmen können. Dem ÖPNV und dem Fahrrad sollte mehr Platz eingeräumt werden. ÖPNV muss häufiger verkehren und mittelfristig kostenfrei sein. Das ist gut für Mensch und Umwelt.

Der Kreis Coesfeld zählte 2020  -   22.500 Minijobber:innen. Eine erschreckend hohe Anzahl Menschen. Das sind, durch Corona, rund 1000 weniger als ein Jahr davor. Gerade die Gastronomie-Beschäftigten waren stark betroffen vom Wegfall der Beschäftigungen, ein Kurzarbeitergeld greift für sie nicht. Da diese Jobs nicht versicherungspflichtig sind, gehen diese Menschen direkt in den Hartz-IV-Bezug. Noch immer ist der Minijob-Sektor überwiegend weiblich. Ebenso schönt der Minijob-Sektor die Arbeitslosenquote und schafft flexibel zur Verfügung stehende Arbeitende. Hier muss der Kreis alles in seiner Macht stehende tun, um diesen Menschen eine sozialversicherungspflichtige Arbeit zu ermöglichen. Auch als Schutz vor z.B. dem Altersprekariat. Leider fehlen aber gleichzeitig in unserem Kreis viele bezahlbare Wohnungen. Die für die großen Familie, sowie die kleinen Wohnungen. Normale Mieten können zur Existenzfrage geraten. Es werden zwar Wohnungen gebaut, aber leider viel zu wenige mit einer Sozialbindung.

Mir fehlt im Kreis ein Engagement in Sachen Ausländerbeirat und Gleichstellungsbeirat. Das wären tolle Schritte in Sachen Transparenz und Bürger- Beteiligung im Sinne der Demokratie und des erweiterten Begriffs der Inklusion.

Als linke Politikerin stehe ich dafür ein, die unausweichlichen Folgen des Klimawandels im Kreis mit allen Möglichkeiten entgegenzuwirken. Nötig ist kooperatives Wirtschaften. Selbstverständlich muss das sozialverträglich geschehen. Zum Klimaschutz ist eine nachhaltige, ökologische, und sozialverantwortliche Landwirtschaft unausweichlich. Ohne die vielen Menschen in der Landwirtschaft geht es nicht. Klimaschutz ist, sowie Inklusion, ein Querschnittthema.

Etwas liegt mir zum Schluss noch am Herzen. Bedingt durch die Pandemie war die politische Partizipation Einzelmandatsträger:innen auf ein Minimum reduziert. Mir ist klar das diese Möglichkeit rechtens ist. Aber, Kreistagssitzungen fanden nicht statt, Endscheidungen wurden in den Kreisausschuss verwiesen. Dort sind Einzelmandatstäger:innen nicht vertreten. Andere Möglichkeiten wären denkbar gewesen, wie in anderen Kommunen und Kreisen praktiziert. Zum Beispiel durch ein Pairing-Verfahren wie in Billerbeck.

Aus diesen und anderen Gründen lehne ich hier erneut den Haushaltsentwurf ab.

Es verbleibt mir jetzt, Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit zu danken und eine frohe, gesunde Weihnachtszeit zu wünschen.

Danke Sonja Crämer-Gembalczyk